Das Helenental bei Baden gehört wahrscheinlich zu den schönsten Gegenden des Wienerwaldes. Noch dazu ist es leicht erreichbar und eignet sich bei jedem Wetter für einen Ausflug. Die hier beschriebene Rundwanderung hat den Vorteil, dass man sie ganz nach Lust und Laune gestalten kann – sowohl die Länge als auch der Ausgangspunkt sind variabel. Herr und Frau Wanderlich haben ihren fahrbaren Untersatz auf dem Parkplatz gegenüber vom Landgasthof Cholerakapelle abgestellt. Wer mit öffentlichen Verkehrsmitteln anreist, kann die Badner- oder Schnellbahn nutzen und beispielsweise bei der Helenenkirche bzw. dem Hotel Sacher am Ortsrand starten. Der Postbus 459 fährt sogar bis an den Anfang des Helenentals oder weiter bis zur Cholerakapelle und Krainerhütte. Im Tal war es noch ziemlich frostig, aber zum Glück führte der Wanderweg gleich über die Straße und auf eine kleine Anhöhe hinauf, wo die Wanderlichs mit strahlendem Sonnenschein empfangen wurden. Ein bisschen hinter den Bäumen versteckt findet sich dann die denkmalgeschützte Cholerakapelle aus dem Jahr 1832. Die vom Zisterzienserstift Heiligenkreuz betreute Wallfahrtsstätte erinnert an die Cholera-Epidemie jener Zeit, die in Wien und Umgebung gewütet hat. Dankbar, verschont geblieben zu sein, stiftete das Ehepaar Boldrini aus Baden besagtes Gotteshäuschen. Von hier führt der Weg weiter durch den Wald und über den Schwarzberg zum Urtelstein, wobei man der blau-weißen Markierung folgt. Der markante Felsen diente früher angeblich als Stätte der Gerichtsbarkeit – schuldig gesprochene Personen wurden kurzerhand in die tosenden Wasser der Schwechat geworfen. Wanderlichs lugten vorsichtig über die Kante, um sich dieses schaurige Szenario leibhaftig vorstellen zu können. Der Name des Felsens stammt übrigens von dem Begriff „Urteil-Stein“, da mittelalterliche Städte an wichtigen Einfahrtsstraßen einen Ort brauchten, wo gefangene Verbrecher aus der Umgebung dem jeweiligen Stadtrichter übergeben werden konnten – nur dieser hatte nämlich das Recht der so genannten Blutgerichtsbarkeit. Von diesem schaurigen Platz geht es weiter Richtung Siegenfeld, in leichtem Auf und Ab auf hübschen Waldwegen. Plötzlich hörten Herr und Frau Wanderlich Geräusche im Unterholz und erspähten kurz darauf eine Gämse. Was für eine schöne Überraschung! Eine Zeit lang wanderten sie gemeinsam weiter, bis sich das Tier gemächlich bergauf begab und sich so ihre Wege wieder trennten. Bevor sie zu einem zauberhaften Aussichtsplatz gelangten, mussten die beiden Wandersleute noch einen ungeheuer schlammigen Teilabschnitt überwinden – hier hatten das Tauwetter und ein paar emsige Waldarbeiter ganze Arbeit geleistet. Die nächste Station markiert dann bereits die imposante Ruine Rauhenstein aus dem 12. Jahrhundert, die im Laufe ihrer Geschichte mehrmals zerstört und wieder aufgebaut wurde. An ihrem endgültigen Verfall trägt jedoch die Dachsteuer aus dem 18. Jahrhundert Schuld. Zu jener Zeit wurden viele Burgen kurzerhand abgedacht, weil diese Form der Steuer nach der Dachfläche von Gebäuden berechnet wurde. Man kann aber anhand der Überreste dieser ehemaligen Höhenburg auch heute noch ihre mächtige Ausdehnung erahnen – Rauhenstein zählte seinerzeit zu den größten Burganlagen rund um Wien bzw. im heutigen Niederösterreich. Zusammen mit dem benachbarten Rauheneck und Scharfeneck bildet sie das „Badener Ruinen-Dreieck“. Bis heute erhalten sind nicht nur Reste der Mauern, sondern auch der 20 Meter hohe Turm, von dem man eine grandiose Aussicht hat – sofern man sich hinaufwagt. Nicht nur auf die eindrucksvollen Überreste des mittelalterlichen Bauwerks selbst, sondern auch auf die Burgen Scharfeneck und Rauheneck gegenüber, am rechten Ufer der Schwechat, und letztlich über das ganze Helenental. Seit 2017 ist die Burg offiziell wegen Frostschäden, welche die Statik beeinträchtigen könnten, gesperrt. Aufgrund der hohen Sanierungskosten, welche primär vom privaten Eigentümer zu tragen wären, ist auch von einer längerfristigen Sperre auszugehen – angeblich bis 2026. Herr und Frau Wanderlich haben sich ein wenig umgesehen und natürlich ein paar Bilder mitgebracht. Ab hier geht es dann der grünen Markierung entlang weiter und ein Stück bergab. So gelangt man nach etwa einer Viertelstunde zu der kleinen Kirche St. Helena und dem Hotel Sacher. Kurz darauf quert man das Bächlein und wandert nun über das in Wienerliedern vielbesungene „Wegerl im Helenental“ die Schwechat entlang. Bereits Beethoven, Schubert, Napoleon und der ehrwürdige Kaiser sind auf diesem romantischen Abschnitt flaniert und waren darob ganz verzückt. Auch Herr und Frau Wanderlich gefiel dieser Teil ihrer dreistündigen Rundwanderung äußerst gut, wenngleich es hier im Winter etwas schattig und demnach auch etwas kühler ist als auf dem Bergrücken. Man spaziert jedenfalls gemütlich zurück Richtung Ausgangspunkt, vorbei am alt-ehrwürdigen Waldgasthaus „Servus Hauswiese“ und dem eingangs erwähnten Urtelstein. Die Straße im Helenental war vor ihrer Asphaltierung durch das Befahren mit schweren Pferdefuhrwerken und Ochsenkarren, die tiefe Spurrillen hinterließen, in einem ziemlich desolaten Zustand. Darüber hinaus mussten beträchtliche Höhenunterschiede gemeistert werden, was vor allem im Winter immer wieder zu tragischen Unfällen führte. Man erzählt sich, dass oftmals Kutscher, Tiere oder ganze Fuhrwerke im Strudel der damals noch wilden Wasser versunken sein sollen. Um dies künftig zu verhindern und den Straßenverkehr zu erleichtern, wurde Anfang des 19. Jahrhunderts ein Durchbruch in den Urtelstein geschlagen, welcher heute nicht nur als Naturdenkmal, sondern mit seinem Tunnel auch als Kulturdenkmal gilt. Die Einebnung der Straße ermöglichte auch herrschaftlichen Fiakern das Helenental zwischen Heiligenkreuz und Baden bequem zu befahren. Dadurch kam es in den darauffolgenden Jahren zur Errichtung mehrerer Ausflugslokale, wie das Gasthaus Hauswiese, Cholerakapelle, die Krainer- und Augustinerhütte. Wanderlichs passierten zuletzt noch die – ebenfalls geschichtsträchtige – Antonsgrotte, welche Erzherzog Anton seinerzeit etwa gegenüber der heutigen Cholerakapelle errichten ließ. Nun heißt es noch ein letztes Mal den Bach über ein kleines Brücklein queren und so gelangt man wieder zum Parkplatz zurück.
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November 2024
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