Herr und Frau Wanderlich hatten ein paar entspannte Tage im steirischen Murau verbracht, wo sie ganz exklusiv in einem Troadkasten aus dem 13. Jahrhundert genächtigt haben. Der ehemalige Getreidespeicher wurde zu einem schnuckeligen kleinen Chalet umgebaut und bot den zwei Wanderern einen erholsamen Aufenthalt mit allen Annehmlichkeiten. Auf ihrer Heimreise haben sie dann noch einen spontanen Zwischenstopp in Pöls eingelegt, wo es sich in gut 3 Stunden wunderbar zu einer alten Burgruine wandern lässt. Das wollten sich Herr und Frau W. natürlich nicht entgehen lassen, denn auch das Herbstwetter zeigte sich diese Tage von seiner besten Seite.
Die Ruine Offenburg liegt eigentlich etwas westlich von Pöls, auf einem Ausläufer des Ederkogels, der sich in Richtung Süden gegen das Pölstal zieht. Parkmöglichkeiten für die ca. 12 Kilometer lange Rundwanderung gibt es bei der Volksschule im Ort, wo sich auch bereits die ersten spannenden Fotomotive auftun. Pöls wird nämlich von einer großen Fabrik dominiert, die der Zellstoff- und Papierindustrie sowie der damit verbundenen Holzverarbeitung dient.
Herr und Frau Wanderlich folgten der schnurgeraden Offenburger Straße nach Oberkurzheim, wo sich eine Ansammlung schöner alter Gehöfte findet. Die beiden wurden dabei von zahlreichen neugierigen Pferden und Kühen beäugt, als sie vorbeimarschierten. An einer Weggabelung folgt man nun der (asphaltierten) Naturstraße bergauf, vorbei an der Mostschenke „Offenburger Bergbauernstube“ – die aber mittlerweile geschlossen haben dürfte.
Schon bald kann man den mächtigen Bergfried der Offenburg erspähen, der fünf Stöcke aufwies und das am besten erhaltene Gebäude der Anlage ausmacht. Er dürfte aus dem 13. Jahrhundert stammen, besitzt einen quadratischen Grundriss und ist bis zu einer Höhe von ungefähr 18 Metern vom Verfall verschont geblieben. Eine weitere Besonderheit ist seine Lage: er befand sich nämlich nicht an oder innerhalb der ehemaligen Höhenburg, sondern freistehend etwa 30 Meter davon entfernt.
Wanderlichs schlugen den Weg zu ihrer Rechten ein, um die leider nur noch spärlichen Überreste der Offenburg näher in Augenschein zu nehmen. Der Ederkogel, auf dem die Ruine liegt, fällt an drei Seiten steil ab und ist nur im Norden durch einen schmalen Sattel mit dem restlichen Berg verbunden. Die Errichtung der Burganlage wird mit dem 11. Jahrhundert datiert, wobei sich der Name erst von den später hier residierenden Teufenbachern ableitet – einem so genannten Offo (Otto) von Teufenbach – „Offenberch“ – „Offenburg“.
Von hier, auf 1.050 Metern Seehöhe, kann man auch die Burgruine Reifenstein am gegenüberliegenden Falkenberg ausmachen. Diese wurde um 1145 erbaut und später im Renaissancestil erweitert. Auch sie ist heute stark verfallen, obwohl die mächtigen Mauerreste noch eine imposante Burganlage erahnen lassen. Gemeinsam mit den anderen Burgherren war es einst Aufgabe der Offenburger gewesen, die Straße durch das Pölstal zu kontrollieren, welche eine wichtige Verkehrsverbindung darstellte.
Die Geschichte der Offenburg endete jedenfalls im Jahr 1590 mit einem verheerenden Großbrand, den zumindest der völlig isoliert stehende Turm nahezu unbeschadet überstanden hat. Ihre Überreste befinden sich heute im Besitz der Familie Schwarzenberg. Herr und Frau Wanderlich machten sich nach ihrer Erkundung wieder auf den Weg, der nun an der Ruine vorbeiführt, zum ehemaligen Schachmoar Hof mitsamt Kapelle. Ein einsam gelegenes Gehöft, bei dem sich nicht ganz klären ließ, welchem Zwecke es heute dienen mag. Nach einer kurzen Rast und einem herbstlichen Sonnenbad wählten Wanderlichs den links wegführenden Pfad, der mit der Nummer 8 markiert war.
Die Forststraße führt entlang der Höhenlinie durch den Wald, wobei sich immer wieder schöne Blicke auf Pöls mit seiner Kirche und Fabrik sowie auf beide Burgruinen eröffnen. Man gelangt wieder an die gleiche Wegkreuzung wie beim Hinweg und folgt nun der asphaltierten Straße bergab, vorbei an weitläufigen Weideflächen und unzähligen – schwer mit Äpfeln behangenen – Obstbäumen. Ein paar davon wurden für die zu Hause wartenden Hasen eingesammelt, denn die würden bestimmt schon hungrig mit den Pfoten scharren.
Die gemütliche Rundwanderung führt über Oberkurzheim wieder zurück nach Pöls. Wer noch Zeit hat, kann Schloss Sauerbrunn besichtigen, welches um 1550 von Franz von Teuffenbach über 12 Mineralquellen errichtet worden ist. Das an einem Südhang des Murtales gelegene Schloss ist aufgrund seiner Verwendung – es ist die Abfüllanlage des „Thalheimer Mineralwassers“ – bis heute relativ gut erhalten. 2008 kaufte der unlängst verstorbene Red Bull-Chef Dietrich Mateschitz das Anwesen samt Heilquellen, um eine Brauerei zu errichten. Herr und Frau Wanderlich müssen wohl wieder einmal einen Abstecher in die Region machen, um dann auch das vergorene „Thalheimer“ kosten zu können.
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