Herr und Frau Wanderlich lieben die Fern- und Weitwanderei. Diesmal hat sie ihre Leidenschaft ins wildromantische Mühlviertel geführt, wo sich dieses Vorhaben vorzüglich umsetzen lässt. Hochmotiviert sind die beiden den 50 Kilometer langen Stoakraftweg in zwei knackigen Etappen angegangen, wobei bereits Tag 1 eine Gehzeit von gut 9 Stunden bereithält.
Eine Startmöglichkeit ist der öffentliche Parkplatz an der Volksschule in Bad Zell. Von hier kann man entweder in die eine oder andere Richtung losmarschieren – die Wanderlichs entschieden sich für die regulär beschilderte Variante Richtung Baumberg. Die erste Station und (virtuelle) Stempelstelle der Naturpark Mühlviertel App findet sich bei der Ruine Zellhof, teils verfallene und teils bewohnte Überreste des ehemaligen gleichnamigen Schlossgebäudes.
Bei gutem Wetter und bester Laune ging es von hier hinab ins liebliche Naarntal, um kurz darauf die Pammerhöhe zu erklimmen. Die Geländekuppe gilt aufgrund ihrer Gesteinsformation und Vegetation als Naturdenkmal und ist ein weiterer Stempelpunkt auf dem Stoakraftweg (dazu später mehr).
Die nächste Attraktion wartet dann bereits mit dem so genannten Elefantenstein, eine zehn Meter hohe Felsformation, die in ihrer Erscheinung eben diesem grauen Riesen ähnelt. Der wollsackverwitterte Granitblock ist ebenfalls ein eingetragenes Naturdenkmal. Herr und Frau Wanderlich hatten ihre Freude daran, die einzelnen Standorte aufzuspüren und zu entdecken.
Von hier führt der Weg weiter in den Wald zu den Zigeunermauern. Gigantische Steinblöcke, Verwerfungen mit Felskammern und einem Opfertisch, die wie von Riesenhand aufgetürmt wirken. In den natürlich überdeckten Granitfelshöhlen soll sich angeblich einst der Räuberhauptmann Graßl mit seinem Gefolge aufgehalten haben. Der „Robin Hood“ wurde 1818 zum Tode verurteilt und vor 60.000 Schaulustigen in Wien öffentlich hingerichtet. Berühmte letzte Wort: „Jessas, so vü Leit!“
Die Wanderlichs interessieren sich immer für persönliche Geschichten, die den besuchten Orten Leben einhauchen. Unterhalb des größten von sechs Naturdenkmalen der Marktgemeinde St. Thomas befindet sich noch der Bildstock von einem Augenbründl, wobei das frühere Holzkreuz durch ein Mosaikbild der Heiligen Odilia ersetzt wurde. Der Wasserquelle werden besondere Heilkräfte bei diversen Augenleiden nachgesagt.
Der Weitwanderweg führt nun am Freilichtmuseum Großdöllnerhof vorbei, einem 400 Jahre alten Mühlviertler „Stoabloßhof“, der einen Einblick in das Leben früherer Zeit gibt. In unmittelbarer Nähe befindet sich der Rechberger Steinlehrpfad, wo man noch Wissenswertes über die geologische Vielfalt in Oberösterreich erfährt. Herr und Frau Wanderlich mussten auf ihrem Weg auch einen Discgolf-Parcours durchqueren, ein Freizeit- und Turniersport für Alt und Jung, bei dem man Frisbees in spezielle Körbe befördern muss.
Bevor die wackeren Wanderer nach St. Thomas gelangten, besuchten sie über einen kleinen Umweg am Ortsrand noch einen Schalen- und Opferstein im Wald. Der Einsiedlerstein mit phallischer Form ist ein gut sechs Meter hoher Granitfels, dessen Erscheinungsbild typisch für das Mühl- und Waldviertel ist. Opferschalen, wie diese hier mit etwa 1 x 1 Meter Durchmesser, entstehen entweder natürlich durch chemische Auswitterung, tropfendes Wasser, Wassermühlen oder durch ein Ausreiben, -stemmen oder -brennen.
Bei der nächsten Station am Stoakraftweg rührten sich bei Frau Wanderlich Kindheitserinnerungen, denn wer kennt diese Lokalattraktionen nicht in Oberösterreich – den „Luftgselchten Pfarrer“ und die „Bucklwehluckn“ von St. Thomas am Blasenstein. Ein beliebter Familienausflug mit leichtem Gruselfaktor und historischem Hintergrund, der noch dazu gigantische Felsgebilde zu bieten hat.
Herr und Frau Wanderlich hatten erneut das Glück auch diese Sehenswürdigkeit völlig menschenleer vorzufinden. So konnten sie für zwei Euro Eintritt die berühmte Mumie vom „Ledernen Franzl“ besuchen und in aller Ruhe seine Lebensgeschichte studieren. Anschließend mussten die beiden natürlich, wie es der Brauch verlangt, durch die enge Spalte des Durchkriechsteins schlüpfen.
Der fünf Meter hohe Granitblock liegt auf einer gewaltigen Felsplatte und man soll durch ein Durchschlüpfen sämtliche Sünden und Krankheiten – insbesondere Rückenschmerzen – abstreifen können. Wie sagt man so schön: hilft es nichts, schadet es auch nicht. Also zwängten sich Herr und Frau Wanderlich mutig durch den Kultstein und genossen anschließend bei einer kleinen Jause den traumhaften Panoramablick in die Mühlviertler Hügellandschaft.
Nach einem langen Tag voll mit den unterschiedlichsten Eindrücken erreichten die zwei dann abends ziemlich erschöpft den Dorfwirt in Rechberg, wo sie trotz der Osterfeiertage ein Zimmer gefunden hatten. Zu ihrem Schreck war jedoch die Küche geschlossen und mit letzter Kraft eilten sie noch zum benachbarten Gasthaus, wo sie kurz vor Sperrstunde doch noch ein warmes Mahl bekamen.
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