Der 13 Kilometer lange Rundwanderweg in der Leopoldstadt verläuft auf geschichtsträchtigem Boden und führt an einem der berühmtesten Wiener Wahrzeichen vorbei, dem legendären Wurstelprater mit seinem weithin sichtbaren Riesenrad. Die Wege sind ausnahmslos familientauglich und in 3 bis 4 Stunden gemütlich zu bewältigen. Obwohl der Stadtwanderweg offiziell am Praterstern im 2. Bezirk beginnt und endet, kann man natürlich auch anderswo einsteigen. So wie Herr und Frau Wanderlich, welche die Tour am bezaubernden Lusthaus beginnen ließen, das schon seit jeher Treffpunkt und Bühne des eleganten Lebens in Wien darstellte. Über den Poloweg führt die Wanderung zunächst zum Krebsenwasser. Ein letztes Stück nahezu unberührter Auwald mit altem Baumbestand und somit ein richtiges Naturparadies. Herr und Frau Wanderlich wähnten sich mitunter im tropischen Urwald aufgrund des feucht-warmen Klimas und der abenteuerlichen Geräuschkulisse, die anscheinend von den hier ansässigen Fröschen und Kröten verursacht werden dürfte. Mitten im Wald befindet sich auch die hübsche kleine Wallfahrtskirche Maria Grün, die 1924 vom Stadtbaumeister Josef Münster errichtet wurde. Eine kleine Insel der Ruhe und Beschaulichkeit inmitten des regen Treibens auf dem Wiener Pratergelände. Die Wanderlichs hielten kurz inne, um dann wieder in das pulsierende Leben auf der Hauptallee einzutauchen. Diese galt ab dem 18. Jahrhundert als schönste Korsostraße für Wagenausfahrten des Hofes, des Adels und wohlhabenden Bürgertums. Gegen Ende des Vormärz wurden hier gerne Trabfahrten und am 1. Mai auch Praterfahrten veranstaltet – ab 1890 marschierte am Maifeiertag auch die Arbeiterschaft durch die Hauptallee. Heute ist die schier endlose Kastanienallee beliebte Flaniermeile und Freizeitparadies für Fußgänger, Radfahrer und Läufer. Herr und Frau Wanderlich verließen die Prachtstraße in Richtung Oberes Heustadlwasser – wiederum ein kleines Naturjuwel inmitten mächtiger Pappelhaine. Das Inselchen im ehemaligen Seitenarm der Donau wurde einst zur Wildtierfütterung genutzt, deshalb der eigenwillige Name. Anschließend unterquert man die Autobahnbrücke der Südosttangente, die wie eine Wunde in die weitläufige Grünoase der Aulandschaft geschlagen wurde, und gelangt so zu einem kleinen antiquierten Bootsverleih. Leider nicht besetzt, ebenso wenig wie die Liliputbahn, deren Gleise man kurze Zeit später kreuzt. Also prominierten Herr und Frau Wanderlich weiter zum Konstantinhügel, um alsbald erneut auf die Prater Hauptallee zu stoßen – übrigens die größte mehrreihige weiß blühende Kastanienallee Wiens! Die Wanderlichs waren überwältigt von dem frühlingshaften Blütenmeer, obwohl sie es bereits viele Male zuvor gesehen hatten. Auf dem Weg zum Wurstelprater passiert man noch weitere Institutionen der Superlative wie das Ernst-Happel-Stadion – das größte Sportstadion Österreichs, das Stadionbad – eines der größten Freizeitbäder Wiens und die Trabrennbahn Krieau von 1878 – der größte Veranstalter von Pferderennen in ganz Österreich. Für den Wiener Prater muss man sich wirklich Zeit nehmen, da es einfach unglaublich viel zu erleben und entdecken gibt. Um diese Jahreszeit haben ihn die Wanderlichs jedoch noch nie so menschenleer gesehen, da aufgrund der Covid-19-Maßnahmen alle Unterhaltungsstätten bis Ende Mai geschlossen bleiben mussten (übrigens das erste und einzige Mal seit dem 2. Weltkrieg). Hier muss man nun auch ein wenig in die Historie abschweifen: Der Prater war einst kaiserliches Jagdrevier und nur dem Adel zugänglich, bis der österreichische Kaiser Josef II. den WienerInnen 1766 das Areal als Erholungsgebiet schenkte. Und weil er auch die Errichtung von Gastronomieständen genehmigte, schlugen hier bald Wirte, Kaffeesieder und Lebzelter ihre Buden auf – Ringelspiele, Schaukeln und Kegelbahnen folgten. Die umliegende Praterlandschaft blieb lange Zeit weitgehend unangetastet, erst in den 1860er-Jahren wurden umfassende Eingriffe vorgenommen. 1873 fand dann die erste und bislang einzige Weltausstellung in Wien statt – 53.000 Aussteller auf einem Gelände von 2,3 Millionen Quadratmetern, was der Aulandschaft einen großen Substanzverlust einbrachte. Immer mehr Bauten beschnitten das Erholungsgebiet und 1895 wurde das Vergnügungsareal „Venedig in Wien“ errichtet, kurz darauf in dessen Mitte das 65 Meter hohe Riesenrad, eines der berühmtesten Wahrzeichen der Stadt. Der Prater wurde zunehmend zum Treffpunkt aller Gesellschaftsschichten. Man fuhr mit dem Fiaker aus, Kadetten und Wäschermädel trafen sich zu Rendezvous, Hutschenschleuderer und Kuriositätenkabinette wetteiferten um die Gunst des Publikums, Drehorgeln, Heurigensänger und Damenkapellen traten hier ebenso auf wie der Walzerkönig Johann Strauß oder die Operetten-Komponisten Joseph Lanner und Carl Michael Ziehrer. Für die Kinder wurden in einfachen Holzbuden Puppentheater aufgeführt, wobei der lustige Hanswurst eine Hauptrolle spielte – nach ihm wurde auch der Wurstelprater benannt! 1938 ging der Prater dann in das Eigentum der Gemeinde Wien über. Im Zweiten Weltkrieg wurden große Teile des Geländes zerstört, nach 1945 durch Privatinitiativen liebevoll wieder aufgebaut und aufgeforstet. Heute präsentiert sich der Wiener Prater als so genannte „harte Au“ mit mächtigen Pappelhainen und dichtem Unterholz. Die Wald- und Wiesenteile werden von den bis zu sieben Baumreihen der über 4,5 Kilometer langen Hauptallee durchquert, die sich vom Praterstern bis zum Lusthaus zieht. Die Kastanienblüte gehört auch heute noch zu den größten Attraktionen der Stadt. Herr und Frau Wanderlich beendeten ihren illustren Rundgang inmitten der unzähligen bunten Schaubuden und Kiosks und kehrten auf den Stadtwanderweg 9 zurück. Dieser verläuft nun über die langgezogene Haupt-, Rustenschacher- und Stadionallee zurück zum idyllisch gelegenen Lusthaus, wobei er die weitläufige Jesuiten- und Wasserwiese passiert. Die beiden Grünflächen dienten zu Kriegszeiten als Exerzierplatz und für die Grundversorgung mittels selbst angebautem Obst und Gemüse, heute als Naherholungs- und Freizeitparadies. Der Rundwanderweg bietet vielseitige Einblicke in die Wiener Stadtgeschichte und führt zudem durch einen der letzten authentischen Auwälder, die es hier noch gibt. Nicht nur für WienerInnen ein Muss!
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Herr und Frau Wanderlich teilen eine gemeinsame Leidenschaft - die (Fern-) Wanderei. Folge ihnen auf ihren Streifzügen durchs In- und Ausland... ARCHIV
April 2025
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