Herr und Frau Wanderlich schätzen die unberührte Natur und die schier endlosen Weiten des Waldviertels. Ein besonders schönes Fleckchen nimmt dabei das Thayatal mit dem bezaubernden Hardegg ein, die mit 86 Einwohnern kleinste Stadt Österreichs. Nach jahrelangem Bemühen konnte im Jahr 2000 der Nationalpark Thayatal eröffnet werden, der zusammen mit dem tschechischen Národní Park Podyjí den Schutz einer der schönsten, romantischsten und artenreichsten Tallandschaften sicherstellt. Kaum anderswo gibt es auf engstem Raum eine derartige Vielfalt an Pflanzen und Tieren wie hier an der Thaya. Die Wanderlichs quartierten sich im einzigen Gasthof des Ortes, der Hammerschmiede ein. Am Fuße der Burg Hardegg gelegen, gibt es hier eine Handvoll Zimmer zu mieten – drei davon tatsächlich in einer renovierten alten Schmiede, was gleich für das richtige Ambiente sorgte. Die Feste ist übrigens eine der größten Wehranlagen Niederösterreichs, deren Bergfried weit im Thayatal zu sehen ist. Die mittelalterliche Burg liegt mitten in der Stadt auf einem Felsen, wurde im 10. Jahrhundert als Holzwehranlage errichtet und in mehreren Bauperioden zu einer stattlichen Wohnburg ausgebaut. 1160 wurde die Pfarrkirche des Hl. Veit samt Karner in die Wehrlinie der Burg miteinbezogen. Erdbeben und ein Großbrand ließen die Festungsanlage mit der Zeit zu einer Ruine verkommen, bis sich Fürst Johann Carl Khevenhüller-Metsch Ende des 19. Jahrhunderts um den Wiederaufbau kümmerte, der jedoch nie ganz abgeschlossen wurde. Heute befindet sich die Burg Hardegg in Privatbesitz, kann aber zum Teil besichtigt werden. Herr und Frau Wanderlich hatten ausreichend Zeit für diverse Erkundungstouren. Eine davon führte sie zum sagenumwobenen Reginafelsen, eine markante Steinformation, die mitten aus dem Wald aufragt und einen herrlichen Blick auf die Burg ermöglicht. Hier wurde einst ein armes Mägdelein von einem schändlichen Burgherren entführt und – da sie sich seinen Avancen verwehrte – lebendig an jenem Felsen eingemauert. Der grausame Graf stürzte alsbald selbst mit seinem Ross hier in den Tod und seitdem geistern die tragischen Gestalten immer wieder bei Vollmond durch Hardegg. Die Wanderlichs waren zum Glück bei Tageslicht unterwegs, während sie dem Fußpfad ins Fugnitztal und hinauf auf die Klippe folgten. Der Ausblick kann dank Geländer ungefährdet genossen werden, bevor man über den Steig wieder in den Wald zurückkehrt. Hier finden sich interessante Begebenheiten der Natur, da die steil abfallenden Wände nach Osten und Süden wärmeliebende Pflanzen und Tiere beheimaten, die eher untypisch für das Waldviertel sind. Die West- und Nordhänge sind hingegen eher schattig und feucht und stellen einen völlig anderen Lebensraum dar. Den Wanderlichs wurde auf ihrem Rückweg eine reiche Ausbeute an Pilzen beschert, die hier wohl den richtigen Nährboden finden. Man kann auf der knapp 1 ½-stündigen Rundwanderung durch Hardegg noch eine Schleife über das Max-Plateau einbauen, auf dem sich sogar eine kleine Schutzhütte befindet (417 m). Von hier führt der Weg dann eher steiler bergab an die Thaya bzw. durch schmale Gässchen wieder zurück in den Ort und zur Burg. Am nächsten Morgen brachen die beiden zu einer etwas größeren Wanderung auf, da sie auch die tschechische Seite jenseits des Flusses erforschen wollten. Hardegg grenzt mit der Thaya nördlich an Tschechien, wobei direkt in der Flussmitte die ehemalige Staatsgrenze verläuft. Seit der Schengenerweiterung 2007 darf die nunmehrige Binnengrenze aber jederzeit und an jeder Stelle überschritten werden, weshalb keine expliziten Grenzübergänge mehr existieren. In Čížov, auf der anderen Seite der Thayabrücke, befindet sich ein Besucherzentrum sowie ein Rest des ehemaligen Eisernen Vorhanges. Herr und Frau Wanderlich folgten der Straße am Grenzgebäude vorbei und stapften leicht bergauf in die Wälder. Einige Betonbunker, die natürlich ebenfalls inspiziert werden mussten, zeugen auch heute noch von der früheren Befestigung. Auf einem Plateau, hoch über Hardegg, gelangt man dann zur Hardegger Warte, die einen wunderschönen Blick auf die Burg und das Thayatal ermöglicht. Die Wanderlichs entschieden sich nach diesem kurzen Ausflug noch für den Rundwanderung 2, den Einsiedlerweg, wozu man wieder auf die österreichische Seite zurückkehren muss. Dort, wo der Einsiedler- den Thayatalweg 1 quert, beginnt ein romantischer Hohlweg, der zur Bärmühl-Wiese an der Thaya führt und an der Flussbiegung bei einer Felswand endet. In einigen Metern Höhe ist eine Felsbehausung erkennbar, in der dareinst ein Einsiedler gelebt haben soll. Der Sage nach kehrte ein Ritter von den Kreuzzügen heim und fand sein geliebtes Weib in inniger Umarmung mit einem Jüngling. Er erdolchte die beiden und erkannte erst dann seinen eigenen Sohn. Der reumütige Sünder verschenkte nun all seine Habe und zog aus, um Buße zu tun. Unterhalb von Hardegg baute er sich eine Klause und war Rest seines Lebens als frommer und gütiger Mann bekannt. Gleichzeitig ist der Teil des Rundweges 1 zwischen Nationalparkhaus und Einsiedlerwiese als Wildkatzen-Lehrpfad gestaltet. Dieser geleitet BesucherInnen durch den Lebensraum des scheuen Tieres, wobei detektivisches Gespür gefragt ist: entlang des Weges haben sich nämlich 11 Wildkatzen (-Silhouetten) im dichten Gebüsch oder auf Bäumen versteckt! Kleine Hinweistafeln erleichtern das Suchen und bieten interessante Hintergrundinformationen zur Lebensweise und aktuellen Situation der Wildkatze in Österreich. Herr und Frau Wanderlich waren begeistert von so viel Naturidylle und wären am liebsten gleich auf der hübschen Wildblumenwiese am Flussufer geblieben. Zurück verläuft der Weg jedenfalls wieder ein kurzes Stück entlang des Hohlweges, bis rechts ein Steig abzweigt, der durch Eichen- und Hainbuchenbestände führt. Zwei Aussichtspunkte eröffnen tolle Blicke auf die Flusslandschaft der Thaya und die Burg Hardegg. An einer Weggabelung trifft dann der Einsiedlerweg wieder auf den Rundweg 1. Man kann entweder über den steileren Gabrielensteig nach Hardegg zurückgehen oder über den Kirchensteig, der hinter dem Feuerwehrhaus bzw. gegenüber dem Parkplatz der Burg Hardegg beginnt. Wer diesen Teil Niederösterreichs besucht, wird bestimmt voll auf seine Kosten kommen. Neben dem weitläufigen Nationalparkgebiet kann man auch interessante Einrichtungen und Sehenswürdigkeiten besuchen, wie beispielsweise die Burg und das Guckkastenmuseum Hardegg, die Ruine Kaja oder die einzige und letzte Perlmuttmanufaktur Österreichs mit einer über hundertjährigen Tradition. Auf dem Weg zurück nach Wien mussten Herr und Frau Wanderlich noch einen kurzen Stopp in Retz einlegen, wo sich herbstlich-bunte Kürbisfelder bis an den Horizont erstreckten. Das veranlasste Frau W. sogar dazu sich noch einmal ins blitzblaue Dirndl zu werfen, um den Kontrast der Feldfrüchte dementsprechend würdig zur Geltung zu bringen.
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September 2024
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